Internetseiten der Parteien gehen an vielen Wählern vorbei [21.09.2009]

Barack Obama hat es vorgemacht: Über das Internet lassen sich Wähler ansprechen und zum Urnengang bewegen – gerade solche, die über andere Wege schwer zu erreichen sind. Eine Studie der Universität Hohenheim und des Communication Lab Ulm hat jetzt untersucht, wie die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien diese Erfahrung umsetzen. Das ernüchternde Ergebnis: Die Internetseiten sind in vielen Aspekten nicht anwenderfreundlich, enthalten Barrieren und erschweren es, Informationen aufzufinden.

Wenig anwenderfreundlicher Aufbau, viele Barrieren und schwer zugängliche Informationen: Die Internetseiten der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien gehen an vielen Wählerinnen und Wählern vorbei. Zu diesem ernüchternden Ergebnis kommt jetzt eine Studie der Universität Hohenheim und des Communication Lab Ulm. Mehr als die Hälfte der Testpersonen gelang es beispielsweise nicht, auf den Internetseiten Informationen zum Standpunkt der jeweiligen Partei zum Thema Atomausstieg zu finden. „Damit verfehlen die Parteiseiten in vielen Aspekten das Ziel, die Menschen direkt zu informieren und so auch zu einer hohen Wahlbeteiligung beizutragen“, sagt Professor Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim. Ein weiteres ernüchterndes Ergebnis der Studie: Obwohl es mittlerweile einfache Möglichkeiten gibt, Internetseiten für Blinde lesbar zu machen, werden diese von den Parteien nicht genutzt. Für die blinden Testpersonen war es damit unmöglich, Informationen zu bestimmten Arbeitsschwerpunkten und Standpunkten der Parteien zu finden.

 

Internetseite der Grünen schnitt insgesamt am schlechtesten ab

Bewertet wurden die Internetseiten über alle Testmethoden hinweg mit einem Punktesystem. Am besten schnitt demnach die Webseite der Linken ab. Doch auch diese Seite erreichte nur 64,2 Prozent der maximal erreichbaren Punktzahl. Am schlechtesten schnitt hingegen die Seite der Grünen ab: Mit nur 48,6 Prozent erreichte sie nicht einmal die Hälfte der maximalen Punktzahl. „Die Ergebnisse erwecken den Anschein, als würde keine der Parteien Wert darauf legen, ihre Inhalte auch für Blinde oder behinderte Benutzer aufbereiten zu wollen“, sagt Dr. Anikar Haseloff.

 

CDU-Seite erschwert den Informationszugang

Bei der speziellen Testmethode der Aufgabenlösung schnitt die CDU am schlechtesten ab. Nur eine von sechs Testpersonen konnte die Aufgabe zur Informationssuche lösen. Ursache war die nicht offensichtliche Trennung von Parteiportal und Kampagnenportal. Doch auch auf den anderen Seiten mussten die Nutzer oft frustriert aufgeben. Unübersichtlicher Aufbau, schwer verständliche Inhalte Die Schwierigkeiten lagen dabei in mehreren Bereichen: Oft waren die Internetseiten viel zu unübersichtlich und schlecht navigierbar. „Die Inhalte sind zudem größtenteils schwer verständlich. Viele der Nutzer hatten Probleme, sich bis zu den tatsächlichen Inhalten vorzuarbeiten“, kommentiert Oliver Haug die zum Teil schwer verständliche Sprache und Begriffe der Webseiten. Auch die Suchfunktion der Webseiten, heute ein zentrales Bedienelement für Internetnutzer, schnitt schlecht ab.

 

Parteiauftritte sind für Blinde kaum nutzbar

Besonders alarmierend waren die Ergebnisse in Bezug auf die Barrierefreiheit der Internetauftritte. In den Tests mit blinden Benutzern konnte sich keine der Testpersonen – trotz Hilfsinstrumenten – auf den Webseiten der Parteien erfolgreich orientieren. Schwer verständliche Verlinkungen, viel zu umfangreiche Navigationsstrukturen und Fehler bei der Benutzung mit Blinden-Software bildeten teilweise unüberwindbare Hürden für die blinden Testpersonen. Die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien haben also viel Spielraum, ihren Internetauftritt zu verbessern. Insbesondere besteht für die Parteien Bedarf, die Nutzerfreundlichkeit auch für Menschen mit Behinderungen zu optimieren, sollen diese nicht zukünftig aus der politischen Online-Kommunikation ausgeschlossen werden.

 

Über die Studie

Die Webseiten der im Bundestag vertretenen Parteien wurden mit mehreren Methoden untersucht. So wurde beispielsweise Eye-Tracking eingesetzt, um die Blickbewegungen der Testpersonen beim Betrachten der Seiten aufzuzeichnen. Sogar mit Blinden wurde getestet, um zu evaluieren, ob diese Personengruppe die Internetseiten der Parteien nutzen konnte.