Methode

Wie verständlich ist die Online-Kommunikation der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien? Um diese Frage beantworten zu können, wurden zwischen Juni 2009 und Juni 2012 die regelmäßig veröffentlichten, tagesaktuellen Online-Texte der Parteien mit dem „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“ untersucht. Dieser Index bezog verschiedene Merkmale der Textverständlichkeit in die Bewertung ein und ermöglichte eine objektive und vergleichende Bewertung der Verständlichkeit.

Der „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“

Um die Verständlichkeit der Texte objektiv zu erfassen, wurden für jeden Text vier für die deutsche Sprache validierte Lesbarkeitsformeln berechnet. Der „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“ verwendet dabei folgende Formeln:

Amstad-Formel
1. neue Wiener Sachtext-Formel
SMOG-Index (Deutsch)
Lix Lesbarkeitsindex

Zusätzlich zu den Formeln wurden weitere, für die Verständlichkeit relevante Textparameter ermittelt und in den Index einbezogen:

Durchschnittliche Satzlänge in Wörtern
Durchschnittliche Satzteillänge in Wörtern
Durchschnittliche Wortlänge in Buchstaben
Anteil der Wörter mit mehr als 6 Buchstaben
Anteil der Satzteile mit mehr als 12 Wörtern
Anteil der Sätze mit mehr als 20 Wörtern

Indexberechnung

Aus diesen Parametern wurde der „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“ berechnet. Das Berechnungsverfahren ist dreistufig:

1. Benchmarking

Zunächst wurden Zielwerte (Benchmarks) und Negativwerte definiert. Hierfür wurden einerseits Texte von den Parteien-Homepages untersucht, in ihrer Verständlichkeit bewertet und optimiert, um die mögliche Bandbreite der Verständlichkeit einschätzen zu können. Zum anderen wurden als Vergleichswerte Texte aus politikwissenschaftlichen Dissertationen sowie Zeitungsartikel aus dem politischen Teil der Bild-Zeitung analysiert. Auf dieser Basis wurden für jeden Formelwert und jeden Parameter Zielwerte und Negativwerte gebildet.

2. Skalierung

Auf der Basis des Benchmarkings wurden alle potenziell möglichen Messwerte der Verständlichkeitsformeln und -parameter einem Wert auf einer Skala von 0 (sehr unverständlich) bis 10 (sehr verständlich) zugeordnet. Der Wert 0 entspricht hierbei dem Verständlichkeitsgrad einer politikwissenschaftlichen Dissertation (Experten-Verständlichkeit), der Wert 10 dem Verständlichkeitsgrad eines in Bezug auf die Verständlichkeit optimierten Textes (Allgemeinverständlichkeit).

3. Index-Bildung

Die einzelnen Skalenwerte wurden dann a) zu einem Durchschnittswert für die Formeln und b) zu einem Durchschnittswert für die Parameter verrechnet. Beide Werte werden schließlich zu einem Indexwert addiert, der von 0 (= geringe Verständlichkeit) bis 20 (= hohe Verständlichkeit) reicht. Eine durchschnittliche politikwissenschaftliche Dissertation erreicht auf diesem Index einen Wert von etwa 0 Punkten, ein durchschnittlicher Artikel aus dem politischen Teil der Bild-Zeitung einen Wert von etwa 18 Punkten.

Weitere Verständlichkeitsparameter

Zusätzlich zu diesen Faktoren, die in den Index einfließen, wurden weitere, für die Verständlichkeit relevante Parameter erfasst. Dies sind der Anteil der Fremdwörter, der Nominalisierungsgrad (Anteil der Substantive an allen Wörtern), der Anteil der abstrakten Substantive sowie der Anteil der leichten Wörter. Auch diese über die reine Wort- und Satzlänge hinausgehenden Parameter spielen für die Verständlichkeit eines Textes eine wichtige Rolle.

Die Datenerhebung

Die Datenerhebung fand am Fachgebiet für Kommunikationswissenschaft, insb. Kommunikationstheorie von Prof. Dr. Frank Brettschneider statt. Datenbasis waren alle Pressemitteilungen und Homepage-Meldungen der Parteien CDU, CSU, SPD, FDP, Bündnis90/Die Grünen und Die Linke, die während eines laufenden Monats von den Parteien auf ihren Partei-Homepages veröffentlicht wurden. Zusätzlich wurden die Podcasts und Homepage-Meldungen von bundeskanzlerin.de erfasst. Die Anzahl der insgesamt von den Parteien veröffentlichten Texte und Wörter finden Sie hier.

TextLab

Für die Erhebung der Daten wurde die von der H&H Communication Lab GmbH und dem Fachgebiet für Kommunikationswissenschaft, insb. Kommunikationstheorie entwickelte Verständlichkeitssoftware „TextLab“ verwendet. Die Software misst die Verständlichkeit von Texten anhand verschiedener, validierter Lesbarkeitsformeln sowie zahlreicher weiterer Verständlichkeitsfaktoren (z.B. Nominalisierungsgrad, Abstraktheitsgrad, inhaltliche Dichte, Vokabellast). Auf der Grundlage dieser Ergebnisse können die Texte in ihrer Verständlichkeit optimiert werden.