CEO-Reden unter der Lupe: Top-Verständlichkeit bei Telekom-Chef Timotheus Höttges    [04.06.18]

Universität Hohenheim analysiert CEO-Reden der DAX-30-Unternehmen / Verständlichkeit zum sechsten Mal in Folge verbessert / Höttges erreicht höchsten bisher gemessenen Wert Spitzenmanager im Verständlichkeits-Check: Die Reden deutscher CEOs sind so verständlich wie noch nie. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Universität Hohenheim in Stuttgart in Zusammenarbeit mit dem Handelsblatt. Prof. Dr. Frank Brettschneider und sein Team untersuchen seit 2012, wie verständlich die Vorstandsvorsitzenden der DAX-30-Unternehmen auf den Hauptversammlungen ihrer Unternehmen sprechen. Im Schnitt erreichen die Werte in diesem Jahr 15,1 Punkte auf einer Skala von 0 bis 20. Damit hat sich die formale Verständlichkeit nun zum sechsten Mal in Folge verbessert. Die Kurzfassung der Studie steht zum Download anbei zur Verfügung.

Verständlichkeit zum sechsten Mal in Folge verbessert / Höttges erreicht höchsten bisher gemessenen Wert | Quelle: Universität Hohenheim/Brettschneider

 

Nach dem Hohenheimer Verständlichkeitsindex erreicht Timotheus Höttges (Telekom) mit 19,9 Punkten den höchsten bisher gemessenen Wert. In den letzten sieben Jahren war damit kein Redner verständlicher als der Vorstandsvorsitzende der Telekom.

Auf dem zweiten Platz folgt Stephan Sturm: Mit 19,5 Punkten bietet der CEO von Fresenius SE eine Top-Leistung. Auf Platz 3 folgt Dr. Frank Appel (Deutsche Post) mit 18,9 Punkten.


Verbesserung bei vielen Rednern

Im Vergleich zum Vorjahr haben deutlich mehr Wirtschaftsbosse Reden gehalten, die sich nicht nur an Anleger, Analysten sowie Finanz- und Wirtschaftsexperten richten. Im Schnitt erreichen sie einen Verständlichkeitswert von 15,1 Punkten – das sind 0,7 Punkte mehr als im Vorjahr und sogar 5,3 Punkte mehr als im Jahr 2012 (9,8).

„Erfreulicherweise hat sich damit zum sechsten Mal in Folge die formale Verständlichkeit der Reden im Vergleich zum Vorjahr verbessert“, erläutert Prof. Dr. Frank Brettschneider, Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft, insbesondere Kommunikationstheorie an der Universität Hohenheim.


CEO von Henkel und Allianz: Deutlicher Sprung nach oben

Einige Redner bemühen sich, Fachsprache so zu übersetzen, dass auch fachfremde Personen den Inhalt der Rede verstehen. „Für den Auf- und Ausbau der Reputation ist das sinnvoll“, meint Prof. Dr. Brettschneider.

Einen besonders deutlichen Verständlichkeits-Sprung, so der Experte, haben in diesem Jahr vor allem Hans Van Bylen (Henkel) und Oliver Bäte (Allianz) mit einem Plus von jeweils 7,3 Punkten gemacht.


Einige verpasste Gelegenheiten

Dennoch verschenken nach wie vor einige Spitzenmanager die Chance, mit ihren Reden eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen. Dr. Aldo Belloni (Linde) belegt wie 2017 den letzten Platz. Allerdings verbessert auch er seine Vorjahresleistung um 2,3 Punkte auf nun 8,2 Punkte.

Kurz davor liegen die CEO-Neulinge Dr. Joachim Wenning (Münchener Rück, 8,4) und Patrick Thomas (Covestro, 9,6). Alle anderen Redner erreichen mindestens 12 Punkte auf dem Hohenheimer Verständlichkeitsindex.


Verständlichkeitshürden: Bandwurmsätze, Fachbegriffe, Wortungetüme

Am meisten schmälern Bandwurmsätze, abstrakte Begriffe, zusammengesetzte Wörter und nicht erklärte Fachbegriffe die Verständlichkeit, erklärt Prof. Dr. Brettschneider. „Das Ergebnis ist dann Kauderwelsch statt Klartext.“

Eine der positiven Veränderungen jedoch: Überlange Sätze werden seltener, immer weniger Reden enthalten zusammengesetzte Wortungetüme. Und grobe Verstöße gegen Verständlichkeitsregeln finden sich in den Reden deutlich seltener als in früheren Jahren.

Allerdings verwenden immer noch viele CEOs Passiv-Formulierungen, warnt Prof. Dr. Brettschneider. „Sie verschweigen ‚Ross und Reiter‘. Damit bleibt unklar, wer eigentlich handelt, und die Zuhörer verlieren den Faden und schlussendlich auch das Interesse.“

Besonders häufig finden sich Passiv-Formulierungen in der Rede von Dr. Belloni (10,5 % aller Sätze). In der Rede des Erstplatzierten Höttges sind es nur 0,5 Prozent.


Beispiele: Passivsätze 2018

  •  „Vor allem in den Bereichen Flüssiggase und On-site-Versorgung konnten solide Volumen- und Umsatzsteigerungen erzielt werden.“ (Linde, Dr. Belloni)
  •  „Ende September 2015 wurden die Manipulationen an Dieselmotoren in den USA aufgedeckt.“ (VW, Diess)
  •  „Positiv beeinflusst wurde das Ergebnis von höheren Mengen im Kerngeschäft, einem verbesserten Produktmix und höheren Verkaufspreisen – letztere kompensierten auch höhere Einkaufspreise.“ (Covestro, Thomas).


Beispiele: Wortungetüme und Fachbegriffe 2018

  • Spezialversicherungsgesellschaften (Münchener Rück, Dr. Wenning)
  • Dreimonats-Durchschnittskurses (Linde, Dr. Belloni)
  • Nettofinanzverbindlichkeiten (Merck, Oschmann)
  • Open-Source-Partnerschaften (adidas, Rorsted)
  • Abgasnachbehandlungskonzept (BMW, Krüger)
  • Glasfaser-Backbonenetzen (E.ON, Dr. Teyssen)


Beispiele: Schachtelsätze 2018

  •  „Auf sie kommt in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die zentrale Aufgabe zu, für die rund zehn Milliarden Menschen, die nach Schätzungen der Vereinten Nationen im Jahr 2050 auf der Erde leben, Nahrungsmittel in ausreichender Menge und Qualität herzustellen.“ (Bayer, Baumann)
  •  „Diese Vereinbarung gibt den Menschen Sicherheit und erlaubt uns die strategischen und operativen Ziele des Joint Ventures, einschließlich der geplanten Synergien, umzusetzen.“ (ThyssenKrupp, Hiesinger)


Klartext überzeugt

Die formale Verständlichkeit sei zwar nicht das einzige Kriterium für eine gelungene Rede, betont Prof. Dr. Brettschneider. Wichtiger noch sei der Inhalt. Und hinzu kämen Kriterien wie der Aufbau der Rede oder der Vortragsstil.

Dennoch sollte ein Redner nicht vergessen: „Formal verständliche Botschaften werden von den Zuhörern besser verstanden und erinnert. Und verständliche Botschaften genießen mehr Vertrauen als unverständliche“, hält der Experte fest.

Daher sollte man laut Prof. Dr. Brettschneider einige Grundregeln für verständliche Reden einhalten: kurze Sätze, gebräuchliche Begriffe, Fachbegriffe übersetzen und zusammengesetzte Wörter möglichst vermeiden. „Denn nur wer verstanden wird, kann auch überzeugen.“


Hintergrund: Der Hohenheimer Verständlichkeitsindex

Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Frank Brettschneider und sein Team berechnen den Hohenheimer Verständlichkeitsindex mit Hilfe einer speziellen Verständlichkeitssoftware. Anhand der Rede-Manuskripte ermittelt die Software formale Kriterien wie beispielsweise durchschnittliche Satzlänge, Anteil der Sätze mit mehr als 20 Wörtern, Anteil der Passiv-Sätze, Anteil der Schachtelsätze und der Sätze mit mehr als zwei Informationseinheiten.

Außerdem erfasst die Software Parameter wie durchschnittliche Wortlänge, Anteil abstrakter Substantive, Anteil Fremdwörter und Anteil der Wörter aus dem Grundwortschatz. Der Index reicht von 0 (formal unverständlich) bis 20 (formal sehr verständlich).

Text: C. Schmid / Klebs

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Frank Brettschneider, Universität Hohenheim, Fachgebiet Kommunikationswissenschaft insbesondere Kommunikationstheorie
T 0711 459 24030, E
frank.brettschneider@uni-hohenheim.de


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