Demokratie-Monitoring: 19 Prozent der Deutschen haben rechtspopulistisches Weltbild  [18.08.24]

In der AfD-Wählerschaft sind dies sogar 84 Prozent, zeigt die jährliche bundesweite Umfrage der Uni Hohenheim. AfD-Wählerschaft besonders pessimistisch und nostalgisch.

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„Früher war alles besser“: Ein rechtspopulistisches Weltbild geht einher mit Pessimismus und einem nostalgischen Blick in die Vergangenheit. Auch 2024 glaubt knapp ein Viertel der Befragten, dass die Politik in Deutschland von „geheimen Mächten“ gesteuert wird. Rund ein Fünftel ist überzeugt, dass die Massenmedien die Bevölkerung „systematisch belügen“. Das zeigt eine Studie der Universität Hohenheim in Stuttgart. Gegenüber der Vorjahres-Studie haben sich die Zahlen kaum verändert. Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Frank Brettschneider analysierte in einer repräsentativen Umfrage Rechtspopulismus, Verschwörungserzählungen, Demokratiezufriedenheit und Vertrauen in politische Institutionen. Dafür wurden im Mai und Juni 2024 von forsa 5.005 Menschen ab 16 Jahren befragt.


„Rechtspopulisten verwenden immer wieder die gleichen Erzähl-Elemente“, beobachtet Prof. Dr. Frank Brettschneider und zählt auf: „1. Es gibt einen einheitlichen ‚Volkswillen‘. 2. Dieser wird von inneren und äußeren Mächten unterdrückt. 3. Zu den inneren Mächten zählen die politischen Eliten und die Massenmedien. 4. Zu den äußeren Mächten zählen die EU, die Globalisierung und der Islam. Oft werden auch Verschwörungserzählungen eingebaut.“

Um das Ausmaß der Verbreitung eines rechtspopulistischen Weltbilds in der Bevölkerung zu bestimmen, wurden den Befragten 22 Aussagen vorgelegt. Einige davon enthielten Verschwörungserzählungen. Die Befragten sollten angeben, wie stark sie diesen Aussagen zustimmen oder sie ablehnen. Nicht jede einzelne Aussage ist populistisch, aber die Summe der Aussagen gibt Aufschluss über den Populismus-Grad.

Demnach hat – wie bereits in der Umfrage vor einem Jahr – knapp ein Fünftel der Befragten ein geschlossenes rechtspopulistisches Weltbild, stellt Prof. Dr. Brettschneider fest: „Bei acht Prozent der Deutschen findet sich ein sehr starker Grad an Rechtspopulismus, bei elf Prozent ein starker Grad.“ Im Osten Deutschlands ist der Anteil höher (29 %) als im Westen (17 %). Je höher die formale Bildung der Befragten, desto geringer der Anteil derjenigen mit einem rechtspopulistischen Weltbild. Am höchsten ist der Anteil bei den 45- bis 59-Jährigen (24 %), am niedrigsten bei den 16- bis 29-Jährigen (10 %).

„Der größte Unterschied besteht zwischen den Wählerschaften der Grünen und der AfD: 84 Prozent der AfD-Wählerschaft haben ein rechtspopulistisches Weltbild. Bei der Grünen-Wählerschaft ist es nur ein Prozent“, so Prof. Dr. Brettschneider. Außerdem: „Da der Populismus-Grad immer größer wird, je weiter rechts sich die Befragten auf der Links-Rechts-Skala einschätzen, ist es gerechtfertigt, von Rechtspopulismus zu sprechen“, so der Studienleiter.


„Geheime Mächte“, „Lügen“ und „Betrug“

Knapp ein Viertel der Befragten glaubt, dass Politik in Deutschland von „geheimen Mächten“ gesteuert wird. Sie stimmen der folgenden Aussage zu: „Es gibt geheime Organisationen, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben.“ Und 21 Prozent stimmen der Aussage zu: „Politiker und andere Führungspersönlichkeiten sind nur Marionetten dahinterstehender Mächte“. Zwölf Prozent meinen sogar: „Unser Land gleicht inzwischen mehr einer Diktatur als einer Demokratie.“

Ebenfalls ein Viertel meint, die Regierenden „betrügen das Volk“. In der AfD-Wählerschaft stimmen sogar 85 Prozent dieser Aussage zu. 26 Prozent aller Befragten meinen: „Die Regierung verschweigt der Bevölkerung die Wahrheit.“ Und die Hälfte aller Befragten sieht Politiker generell als abgehoben an.

„Rechtspopulisten machen nicht nur Parteien sowie Politikerinnen und Politiker verächtlich, sie diffamieren auch die Massenmedien“, sagt Prof. Dr. Brettschneider. Ein Fünftel der Befragten unterstellt den Massenmedien Manipulation. Und 20 Prozent meinen: „Die Bevölkerung in Deutschland wird von den Medien systematisch belogen.“ In der AfD-Wählerschaft stimmen 80 Prozent dieser Aussage zu.

21 Prozent aller Befragten glauben: „Die Medien und die Politik arbeiten Hand in Hand, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren.“ Und ebenfalls 21 Prozent geben an: „Die Medien bringen nur, was die Herrschenden vorgeben.“ Das tiefe Misstrauen gegenüber den klassischen Massenmedien ist in Ostdeutschland deutlich stärker ausgeprägt als in Westdeutschland, stellt Prof. Dr. Brettschneider fest – dort läge es bei etwa einem Drittel der Befragten.


Unzufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie und geringes Vertrauen in Regierung und Parteien

Ein Fünftel der Befragten ist mit dem Funktionieren der Demokratie auf Bundesebene unzufrieden. Auf Landes- und auf kommunaler Ebene sind es weniger. Je ausgeprägter das rechtspopulistische Weltbild der Befragten, desto größer ist die Unzufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie. Aus der Gruppe mit dem stärksten rechtspopulistischen Weltbild sind 82 Prozent mit dem Funktionieren der Demokratie auf Bundesebene unzufrieden.

Am meisten Vertrauen bringen die Deutschen der Wissenschaft, der Polizei und den Gerichten entgegen. Am wenigsten vertrauen sie der Bundesregierung, dem Europäischen Parlament, Bürgerinitiativen und den politischen Parteien. „Nur 11 bzw. 14 Prozent der Bundesbürger misstrauen der Wissenschaft oder der Polizei, aber 44 Prozent der Bundesregierung und 50 Prozent den politischen Parteien“, so Prof. Dr. Brettschneider.

Je rechtspopulistischer das Weltbild einer Person ist, desto größer ist auch ihr Misstrauen gegenüber diesen Institutionen: Aus der Gruppe mit dem stärksten rechtspopulistischen Weltbild misstrauen 49 Prozent der Wissenschaft, 90 Prozent dem Fernsehen, 92 Prozent den politischen Parteien und 96 Prozent der Bundesregierung.


Pessimismus, negative Wahrnehmung und verklärte „Nostalgie“

Prof. Dr. Brettschneider stellt fest: „Ein rechtspopulistisches Weltbild geht einher mit Pessimismus, einer negativen Wahrnehmung der Lebensqualität und der Wirtschaftslage im eigenen Bundesland und mit einem nostalgischen Blick in die Vergangenheit.“

So blickten unter allen Befragten 64 Prozent optimistisch in ihre persönliche Zukunft, 36 Prozent pessimistisch. Unter den Personen mit einem ausgeprägt populistischen Weltbild seien hingegen nur 20 Prozent optimistisch, 80 Prozent hingegen pessimistisch in Bezug auf ihre persönliche Zukunft. Sie nehmen auch die Lebensqualität sowie die Wirtschaftslage in ihrem Bundesland deutlich negativer wahr als der Durchschnitt der Befragten. Und sie sind sehr viel häufiger als die anderen Befragten der Meinung, dass früher „alles viel besser“ war. Dieser Auffassung sind 50 Prozent der Personen mit einem geschlossen rechtspopulistischen Weltbild, gegenüber 13 Prozent unter allen Befragten.

„Der Pessimismus und die negative Weltsicht dürften etwas mit den genutzten Informationsquellen zu tun haben: Die AfD-Wählerschaft nutzt klassische Massenmedien selten, dafür Social-Media-Plattformen und Webseiten im Internet deutlich häufiger als alle anderen Wählergruppen.“ Unter den Social-Media-Plattformen dominieren in der AfD-Wählerschaft YouTube, Messenger-Dienste und Facebook. Twitter / X sowie TikTok werden von dieser Gruppe häufiger genutzt als von allen anderen Wählergruppen. „Der gänzlich andere Kommunikations-Kosmos der AfD-Wählerschaft führt zu einer anderen, nämlich negativen Sicht auf die Gegenwart“, so Prof. Dr. Brettschneider.

Der Experte betont aber auch: „Wir sollten nicht nur auf dieses eine Fünftel schauen. Sehr viel größer ist die Gruppe der Menschen, die Institutionen, den klassischen Massenmedien und der Demokratie vertrauen. Sie sehen zwar einiges durchaus auch kritisch, aber sie blicken dennoch optimistisch in die Zukunft. Das sollte man nicht vergessen.“


HINTERGRUND: Demokratie-Monitoring der Universität Hohenheim

Seit 2021 führt forsa im Auftrag des Fachgebiets Kommunikationstheorie unter Leitung von Prof. Dr. Frank Brettschneider jährlich eine repräsentative Umfrage zum Demokratie-Verständnis der Bevölkerung durch. Die Ergebnisse sind auf Bundesebene repräsentativ. Bei einem Teil der Fragen setzt die Studie jedes Jahr einen anderen Schwerpunkt.

Weitere Informationen
Aktuelle Studie 2024: https://t1p.de/demokratie-monitoring-2024
Demokratie-Monitoring 2023: https://t1p.de/demokratie-monitoring-2023
Demokratie-Monitoring 2022: https://t1p.de/demokratie-monitoring-2022
Demokratie-Monitoring 2021: https://t1p.de/demokratie-monitoring-2021

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Frank Brettschneider, Universität Hohenheim, Fachgebiet für Kommunikationswissenschaft insb. Kommunikationstheorie
T 0711 459 24030, E frank.brettschneider@uni-hohenheim.de


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